Mittwoch, 5. Oktober 2011
Das Telefon klingelt. Los, zusammenreißen. Glücklich klingen. Ja, mir geht's gut. Nein, ich bereue meine Entscheidung nicht. Klar, hier gibt's viele tolle Leute. Nein, ich komme nicht nach Hause. Na ja, ein bisschen vermisse ich euch schon. Lachen, hoffentlich klingt es echt. Nur mit halbem Ohr zuhören, beschäftigt klingen, demonstrieren, wie unwichtig die Welt am anderen Ende des Telefons geworden ist. Bloß nicht zu viel von mir erzählen. Ab und zu etwas einwerfen. Dann das Gespräch frühzeitig beenden, Gefühle unterdrücken, keine Sehnsucht aufkommen lassen. Ja ja, muss jetzt echt aufhören, du weißt ja. Ja, ich melde mich bald wieder. Ja, bis dann.

Stille. Leere. Lügen.
Er: Hallo. Bin zu Hause. Wie war dein Tag?
Sie: Bin früh aufgewacht und spät aufgestanden. Hab meinen Kaffe getrunken, dabei aus dem Fenster geschaut und übers Leben nachgedacht. War zwischendurch mal draußen, weil ich mir nicht mehr sicher war, ob ich noch existiere.
Er: Schön schön. Irgendjemanden besuchen gewesen?
Sie: Das Internet.
Er: Na, das ist doch was. Gibts was Neues?
Sie: Keine neuen Mails, noch nichtmal Werbung, aber es ist immer für mich da.
Er: Das hört man doch gern. Irgendwelche besonderen Vorkommnisse? Oh, warte, da ruft jemand an.
Sie: Ich nehme meine Medikamente nicht mehr.
Er: So, erledigt. Tschuldigung, was hattest du gesagt?
Sie: Schon gut.
Er: Na dann. Ich zieh mich jetzt um und dann muss ich auch schon fast wieder los zum Meeting. Soll ich uns danach Essen holen oder meinst du, du könntest was kochen?
Sie: Ich habe keinen Hunger.
Er: Gut, dann bring ich uns was Leckeres mit. Bis nachher.
Sie: Tschüss.
Nachtmusik. Joni Mitchell - "Both Sides Now".

Tears and fears and feeling proud.